Große Anfrage zu Jugendmedienschutz und Medienkompetenz mit Antwort des Senats (PDF)
Der Umgang mit den neuen Medien stellt nicht nur die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Familien wissen nicht mehr wie sie mit Ihren Kindern und dem Konsum der digitalen Medien umgehen sollen. Internet, Killerspiele, Spielsucht … das Dumme ist nur, dass die Kinder im Umgang mit den neuen Medien meist deutlich kompetenter sind als Eltern, Lehrer und Politiker. Das ist der Hintergrund der Großen Anfrage.
Neue Medien nehmen in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen einen enormen Stellenwert ein. So bietet beispielsweise das Internet jungen Menschen eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten, die bildungsrelevante wie auch kreative und kommunikationsfördernde Potentiale besitzen. In jüngster Zeit sind allerdings meist die negativen Aspekte der Neuen Medien in den Fokus der Debatte gerückt: in Filmen und TV (bei denen in jüngerer Zeit, zum Beispiel in aktuellen Horrorfilmen auch explizite Grausamkeiten eher ästhetisch inszeniert, denn negativ konnotiert werden); Gewaltdarstel- lungen (auch reale) im Internet; PC-„Killerspiele“, die aufgrund der aktiven In- volviertheit der Spieler als Katalysatoren für die Präferenz gewaltförmiger Konfliktaustragung wirken und unter bestimmten Umständen geeignet sein können, Mitgefühl mit Gewaltopfern („Empathiefähigkeit“) zu vermindern; Handys als allgegenwärtige Trägermedien für gewaltförmige und pornografi- sche (sowohl virtuelle, als auch reale) Darstellungen.
Um den Jugendschutz zu stärken, wurde das Jugendschutzgesetz (JuSchG) mit Wirkung zum 1.4.2003 novelliert; gleichzeitig trat der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Kraft. Damit wird der Jugendmedienschutz sowohl in Bundes- als auch in Landesgesetzen geregelt. Vorschriften des Bundes über den Jugendmedienschutz finden sich im Jugendschutzgesetz (JuSchG) und im Strafgesetzbuch (StGB) und betreffen nur die sogenannten Trägermedien (Printmedien, Videos, CD-ROMs, DVDs und so weiter). Hier gibt es noch das alte Indexsystem, die Aufnahme von Medien in eine Ver- botsliste mit der Folge weitreichender Vertriebs- und Werbebeschränkungen, daneben die Altersfreigaben für Kinofilme sowie Film- und Spielbildträger. In den Landesvorschriften, namentlich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMstV), sind Regelungen zu den sogenannten Telemedien zu finden (hauptsächlich Rundfunk, Fernsehen und Internet, vergleiche auch § 1 Absatz 3 JuSchG).
An der Medienaufsicht wirken sehr viele Institutionen mit: 15 Landesmedien- anstalten, die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die von den Län- dern eingerichtete Stelle jugendschutz.net, die Obersten Landesjugendbe- hörden, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und nicht zuletzt die Staatsanwaltschaften mit ihren Zentralstellen für Jugendmedienschutzde- likte. Außerdem aus dem Bereich Selbstregulierung die entsprechenden Ein- richtungen zu den Sparten Kino, Spiele, Fernsehen, Multimedia und Tele- kommunikation. Eine wirksame und zügige Medienaufsicht ist auf diese Wei- se nur sehr schwer durchsetzbar, da qua Gesetz an zahlreichen Vorgängen
unterschiedliche Institutionen beteiligt werden müssen. Die Folgen sind schwer nachvollziehbare zeitliche Verzögerungen bei der Durchsetzung des Jugendmedienschutzes sowie die geringe Zahl der Beanstandungen.
Die aktuelle Debatte fokussiert die Handlungsmöglichkeiten aller am Jugendmedienschutz beteiligten Institutionen häufig nur auf Maßnahmen wie Indizierung und Verbot. Bei sogenannten Trägermedien ist dies leichter durchsetzbar als bei einem Telemedium wie dem Internet. Gewalttätige Darstellungen, Pornografie, extremistische, rassistische und antisemitische Inhalte sind über das Internet und das Handy für die meisten minderjährigen Nutzer leicht verfügbar. Umfassende Kontrollen sind bei diesen Medien nur schwer durchsetzbar. Technische Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel Filtersysteme für aktive und mobile Dienste, Altersverifikationssysteme, Geschlossene Benutzergruppen sind zum Teil noch in der Erprobung bezie- hungsweise noch nicht ausgereift, ihr Verbreitungsgrad noch relativ gering. Schwierig ist vor allem die Kontrolle der Angebote von ausländischen Anbietern.
Allerdings wirken Verbote und restriktive Interventionen oftmals kontrapro- duktiv. Solche Maßnahmen erhöhen häufig nicht nur den Bekanntheitsgrad jugendgefährdender Inhalte, sondern steigern erst den Reiz und die Attraktivität für die minderjährigen Konsumenten.
In diesem Zusammenhang kommt der Prävention, also medienpädagogi- schen Interventionen und der Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule, der Jugendhilfe, der offenen Kinder- und Jugendarbeit et cetera eine entscheidende Bedeutung zu. Dazu gehört auch die Schulung der Pädago- gen wie auch eine kompetente Beratung der Eltern, da viele Minderjährige oftmals besser als diese über die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Neuen Medien Bescheid wissen. Des Weiteren ist das Wissen darüber, wie Medien von Minderjährigen konkret benutzt werden und wie sie wirken, häu- fig unzureichend. Hier besteht nach wie vor ein großer empirischer Forschungsbedarf (vergleiche Michael Kunczik, Astrid Zipfel, Gewalt und Medien, 2006).