Bürgerschaftswahl: Meine Kandidatur 2011

Am 20. Februar wird in Hamburg die Bürgerschaft (das Landesparlament im Stadtstaat Freie und Hansestadt Hamburg) und die Bezirksversammlungen neu gewählt. Auch ich kandidiere auf der Wahlkreisliste der SPD im Wahlkreis I Hamburg-Mitte. Allerdings auf einem aussichtslosen Platz 6 – insgesamt werden in diesem Wahlkreis von allen Bewerbern sämtlicher Parteien nur 5 Abgeordnete direkt gewählt.

Das gesamte Wahlverfahren ist recht kompliziert. Jeder Wähler hat in der Wahlkabine 20 Stimmen zur Verfügung und kann kummulieren und panaschieren, was das Zeug hält. Kaum einer versteht’s. Die Hamburger haben sich das per Volksentscheid selbst eingebrockt.

Egal. Jedenfalls stehe ich auf der Liste. Aus wahltaktischen Gründen. Problem: Ich will überhaupt nicht gewählt werden. Für alle, die darüber sehr traurig sind, habe ich eine Lösung. Wählt Hansjörg Schmidt. Warum?

  1. Er hat als langjähriger Bezirksabgeordneter – in den letzten vier Jahren als Fraktionsvorsitzender – in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte viel kommunalpolitische Erfahrung sammeln können. Das hat er gut gemacht.
  2. Er ist ein Netzpolitiker, der die Tragweite der umfassenden gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen durch das Internet versteht und politisch einzuordnen weiss. Er ist u.a. Mitinitiator und -organisator der sehr erfolgreichen PolitCamps.
  3. Er versteht was von Wirtschaft und ist anerkannter Social-CRM-Experte.
  4. Er ist mein Freund.

Ihr könnt ihm vertrauen. Ich vertraue ihm.

Überzogene Nachforderungen von 10 Millionen Euro zur Durchführung der Hamburg-Wahl

Mit mehr als fragwürdigen Nachforderungen zur Finanzierung der Bürgerschafts- und Bezirksversammlungswahlen in vier Wochen, fordert der Senat die Bürgerschaft in einem Dringlichen Senatsantrag (Drs. 18/7777 v. 22.01.08) zur Bewilligung von Mehrbedarfen in Höhe von 10 Millionen Euro auf.

Hintergrund: Nach der öffentlichen Kritik am Digitalen Wahlstift hatten die Fraktionen sich im November darauf geeinigt, dass die Wahlen manuell ausgezählt werden. Die nun geforderten Mehrbedarfe von EUR 9.929.000,00 sind laut Senat durch die Entscheidung für das händische Auszählen verursacht. „Die Mehrbedarfe sind unabweisbar, da eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen mit dem Ziel einer zeitnahen Ermittlung eines Wahlergebnisses zu gewährleisten ist,“ so der Senat zur Begründung.

Ein unglaublicher Vorgang. Ohne weitere Beratungen in den zuständigen Ausschüssen soll die Bürgerschaft mal eben 10 Millionen Euro in der letzten Bürgerschaftssitzung zwei Wochen vor der Wahl bewilligen. Das ist schon grenzwertig. Die Ausführungen und die Kalkulation zu den geforderten Mehrbedarfen sind höchst unseriös.

Es kann doch nicht sein, dass ein Transport von Stimmzetteln von einem Wahllokal zu einem Auszählungslokal Euro 1.875,00 kostet plus Kosten für die Sicherheit. Völlig unverständlich ist z.B. auch, wieso die Lagerung der bereits gekauften digitalen Stifte bis Ende 2008 jetzt plötzlich zusätzlich Euro 350.000,00 kosten soll. Abgesehen von der fragwürdigen Höhe der Kosten – wo wären die Stifte denn gelagert worden, wenn Sie zum Einsatz gekommen wären?“

Einige Beispiele zur Kalkulation:

Logistik Auszählung
Die Ausstattung der Wahllokale war durch den alten Ansatz gedeckt. Mehrbedarfe für die Logistik, die Ausstattung und den Transport der Wahlmaterialien für 1.550 Wahllokale können nur für den Transport der Stimmzettel aus 800 Wahllokalen (750 Wahllokale bleiben vor Ort) in die weiteren Auszählungslokale entstehen. Für den Transport der Stimmzettel kalkuliert der Senat einen Mehrbedarf von Euro 1.500.000,00.

Das sind Euro 1.875,00 pro Transport der Stimmzettel von einem Wahllokal zu einem Auszählungslokal! Nicht berücksichtigt ist hierbei, dass viele Wahllokale an einem Standort sind.

Sicherheitsanforderungen
Der Senat geht zur Sicherheit für die Auszählungslokale von insgesamt 139.500 Bewachungsstunden mit einem kalkulierten Stundensatz von 15 Euro aus. Wegen der zentralen Unterbringung der 800 Auszählungslokale, die nicht am Standort des Wahllokals verbleiben, rechnet er mit einer Ersparnis von ca. 50% und Kosten von Euro 1.000.000,00 (statt Euro 2.092.500,00).

Eine einfache Nachkalkulation kommt auf andere Zahlen: Pro zu bewachendem Standort fallen insgesamt 43 Bewachungsstunden an (von So auf Mo 12 Std.; von Mo auf Di 15 Std. und von Di auf Mi 15 Std.). Die 750 Wahllokale, die auch Auszählungslokale bleiben, sind an insgesamt 500 Standorten untergebracht. Die restlichen 800 Auszählungslokale werden in 10 Standorten untergebracht. Kalkuliert man pro zu bewachenden Standort jeweils 2 Sicherheitskräfte ein, so ergibt dies insgesamt 42.840 Bewachungsstunden und Kosten von Euro 642.600,00.

Dies ergibt eine Differenz zur Kalkulation des Senats von Euro 357.400,00.

Mehrkosten statt Einsparungen
Laut Senat stehen dem Mehrbedarf keine absehbaren Einsparungen durch die entfallende technische Wahlunterstützung entgegen. Was ist z.B. mit den technischen Rüstzeiten für jeden Stift und das dazugehörige Equipment? Hier wären doch mindestens 2 Stunden pro Wahllokal zu kalkulieren gewesen. Geschätzte Kalkulation mit einem Stundensatz für IT-Fachpersonal von Euro 50,00 ergäbe eine potenzielle Einsparung von Euro 155.000,00.
Stattdessen entstehen laut Senat Mehrbedarfe von Euro 350.000,00 für Transport und gesicherte Lagerung des Digitalen Wahlstifts! Wie und wo wären denn die Digitalen Stifte transportiert, gelagert und gewartet worden, wenn sie zum Einsatz gekommen wären?

Stimmzetteldruck
Nach Angaben des Senats war das für die Wahl mit dem Digitalen Stift notwendige Papier bereits bestellt. Ein Umsteuern mit neuer Ausschreibung und Auswahl einer anderen Druckerei sei nach der Entscheidung gegen den Digitalen Stift nicht mehr möglich gewesen. Wieso entstehen dann Mehrkosten von Euro 250.000,00, wenn man von der ursprünglichen Kalkulation nicht abweicht?

Mailing – Aktion Musterstimmzettel
Wieso haben sich die Kosten für diese Aktion um Euro 300.000,00 erhöht? Es fallen doch zumindest die Druckkosten zur Erklärung des Digitalen Wahlstifts weg. Wieso wurde die Verschickung der Wahlbenachrichtigungskarten und das Mailing mit den Musterstimmzetteln in zwei verschiedenen Versendungen durchgeführt?

Das war’s wohl mit dem Digitalen Wahlstift

Großes Interesse und viel Publikum hatte die heutige Sitzung des Verfassungsausschusses, der zu einer Experten-Anhörung auf Vorschlag der SPD-Fraktion geladen hatte. Es sollten sowohl Befürworter als auch Kritiker zu Wort kommen. Schließlich müssen Abgeordnete vor einer so wichtigen Entscheidung fachlich fundierte Argumente abwägen. Zumal dann, wenn renommierte Kritiker wie Prof. Brunnstein und der Chaos Computer Club öffentlich ihre Bedenken äußern.

Obwohl der CCC vor seinem mit der GAL angekündigten Angriff, einen Totenkopf auf den Wahlrechner mit einem gehackten Stift zu zaubern, peinlicherweise gekniffen hatte, waren es insbesondere die fehlenden Argumente der von der Innenbehörde vorgeschlagenen Experten für den digitalen Wahlstift, die manche Abgeordnete eher skeptisch gestimmt haben. So auch mich, obwohl ich eigentlich ein Befürworter dieses Systems bin. Ohne Vertrauen in der Politik über alle Fraktionen hinweg und vor allem bei den Wählern wird das nichts.

Fakt ist: Eine hinreichende Vertrauen schaffende Zertifizierung konnte bisher nicht vorgelegt werden. Nach Auskunft der Experten, sei dies in der gegebenen Zeit nicht möglich. Das ist auch aus Sicht von Prof. Brunnstein mehr als ärgerlich, denn grundsätzlich hält er den digitalen Stift für den bisher besten systemischen Ansatz für ein elektronisches Voting. Allerdings habe, so Brunnstein, die zuständige Innenbehörde das ganze Verfahren nicht gründlich vorbereitet und unnötig Zeit verstreichen lassen.

Die Experten, von denen eigentlich eine Befürworterpostition zu erwarten war, blieben wage und schwammig. Stichhaltig und präzise waren die Argumente vom Wahlforscher Matthias Moehl (election.de), der darauf hinwies, dass die Bayern und die Schwaben auch komplizierte Wahlen mit Kumulieren und Panaschieren manuell hinbekommen. Ja, wenn die das können, dann ….

Ich habe während der Sitzung kein Argument gehört, das zur Schaffung des notwendigen Vertrauens der Wähler wirklich geeignet ist – ausser dass der CCC schon mal fulminantere Auftritte hatte. (Oh, hoffentlich hacken sie jetzt nicht meinen Blogg und zeigen es mir mal richtig