Der Kapitalismus aber ist keine Glaubenslehre, keine Ideologie, er ist auch kein Herrschaftsinstrument. Er ist ein Werkzeug. Die Erscheinungsform des Kapitalismus ist die Marktwirtschaft. Sozial ist die, wenn sie den politischen Doktrinen der Volksparteien folgt. Ein Monster, wenn sie nicht mehr genug Erträge abwirft, um das Establishment unhinterfragt an der Macht zu halten. In Wahrheit verhält sich die Sache wie mit dem berühmten Messer, das mal, je nach Einsatzzweck, helfen kann, Brot zu schneiden oder den Nachbarn aufzuschlitzen. Das beste Werkzeug funktioniert nicht, wenn seine Benutzer ahnungslos sind. Wer Messer meidet, weil sie auch töten können, bleibt hungrig ? und dumm und wehrlos noch dazu.
Wolf Lotter in Reifeprüfung, brandeins
Dann sollte in dieser Logik das Establishment langsam mal aufwachen, sonst könnte es ihnen an den Kragen bzw. das Vermögen gehen. Es sollte also im ureigensten Interesse des Establishments sein, dringend Arbeitsplätze zu schaffen. Vielleicht sind ja die ein oder anderen Manager einfach nur zu dumm und ahnungslos. Den Verdacht hege ich schon länger.
Lieber Herr Schuessler,
ich freue mich immer, wenn ich zitiert werde. Manchmal legt sich das, wenn ich genauer hinsehe – wie bei Ihrem Kommentar. Ich halte den Aufruf für mehr Arbeit für völlig blödsinnig und empfehle einmal mehr brand eins – die aktuelle Ausgabe, gerne auch online unter http://www.brandeins.de. Ich denke, was dort steht, kann jeder verstehen, auch die, die zurzeit behaupten, 25% und 25% wären nicht das gleiche, wenn es um Steuern geht.
Wolf Lotter
Lieber Herr Lotter,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich lese Brandeins sehr gerne und halte das innovative Konzept der Zeitschrift und insbesondere die Inhalte und Sprache Ihrer Beiträge für eine große Bereicherung der Printmedienlandschaft. Sie bieten mir nachhaltige Anregung.
Ich sehe mittel- und langfristig keine Alternative zur Schaffung einer Grundsicherung bzw. Grundeinkommens, um auch der sprachlichen Wirkung des Begriffs im positiven Sinn Rechnung zu tragen. Ich bin überzeugt davon, dass wir in den nächsten Jahren hierzu lebhafte Debatten führen werden. In dieser Diskussion wird u.a. auch die Frage nach dem Gesicht unseres Landes als Solidargemeinschaft neu beantwortet werden müssen. Denn das Grundeinkommen wäre ein weitgehender Solidarbeitrag der Gemeinschaft an jeden einzelnen. Wer soll und kann welchen Beitrag leisten? Wie kann sich der Einzelne, ein Unternehmen und die Gemeinschaft weiter entwickeln? Wer ist in der Gemeinschaft wem gegenüber wie verantwortlich? Auf welchen Werten soll die Solidargemeinschaft ihr Fundament haben?
Tatsächlich haben wir heute eine Grundsicherung. Aber was würde sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen in den zahlreichen Sozialhilfekarrieren in erster, zweiter oder dritter Generation ändern? In Billstedt, Jenfeld, Osdorfer Born u.a. sozialen Brennpunkten. Die Wirklichkeit dort ist nicht Müßiggang, sondern Verelendung. Daran ändert sich auch nichts, wenn Sie den Menschen 500 EUR mehr und das alles bedingungslos geben. Der Lösungsansatz des Grundeinkommens als alleiniger Heilsbringer funktioniert nur dann, wenn sich der Empfänger selbst zu beschäftigen weiß und er damit glücklich ist. Solange nicht alle hierzu in der Lage sind, brauchen wir ein ausreichendes Angebot an Beschäftigung. Es wäre verantwortungslos und zynisch, das politische Ziel einer Vollbeschäftigung aufzugeben ? auch wenn es heute so schwer erreichbar scheint. Arbeitslosigkeit ist kein Erfolg.
Es bleibt die Frage, was man unter Beschäftigung verstehen will und soll.
Das Problem sehe ich eher im Mangel an Orientierung, Sinn, Werten und Verantwortung ? allerdings nicht nur in Billstedt, Jenfeld und Osdorfer Born. Dies gilt auch für einige weit überbezahlte und überschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft, die sich selbst gerne zur Managerelite zählen. Ich halte es für richtig, dass die Starken und Leistungsträger in unserer Solidargemeinschaft auch stärkere Lasten tragen ? ohne Leistung zu bestrafen. Die Forderung ist nicht neu, aber immer noch notwendig. Viele davon sind dazu gerne bereit. Ich auch. 75% von 500 TEUR sind nämlich erheblich mehr als 75% von 10 TEUR. Und wenn die ein oder anderen Unternehmensentscheider beim Scheuklappen-Blick auf ihren Shareholder Value schon keine Verantwortung an der Gesellschaft wahrnehmen, sollten sie doch zumindest auf die möglichen Folgen ihrer kurzsichtigen unternehmerischen Entscheidungen hingewiesen werden. Wie zitieren Sie so schön in Ihrem letzten Text den leider viel zu früh verstorbenen Sozialdemokraten Peter Glotz:
?Solange das Drittel, das kaum mehr etwas hat, ruhig gestellt wird, gibt es keine wirklichen Probleme?, sagt Peter Glotz. Doch das gelinge nicht mehr lange: ?Wenn wir so weitermachen, treiben wir das untere Drittel der Gesellschaft in Kriminalität und Chaos. Das wird vor allem auch für die ungemütlich, die etwas besitzen.?
Genau so können Sie auch meinen Kommentar verstehen.
Ich freue mich auf Ihre zukünftigen Gedanken und Texte.
Ihr
Jürgen Schüssler
PS: Im Übrigen wäre es eine Innovation, wenn Sie Ihre Beiträge online mit einem Weblog verbinden würden. Es würde dem Brand von Brandeins nicht schaden.
Lieber Herr Schüssler,
der Aufruf an die Manager, Arbeitsplätze zu schaffen, ist verfehlt. Vielmehr sollte die Politik aufgefordert ein Klima zu schaffen, in dem jeder Einzelne genauso leicht ein Unternehmen gründen kann wie das Schmieren eines Butterbrotes. Arbeitsplätze werden in Zukunft kaum noch in Großunternehmen entstehen. Was wir brauchen ist ein Mikrokapitalismus.
In meinem Blog http://www.Kapitalismus.de versuche ich die dafür nötige kapitalistische Art des Denkens – daß überall die Chance zum Geldverdienen besteht – zu illustrieren. Die ganzen Arbeitslosen müssen einfach den Arsch hoch bekommen und sich selbst Verdienstmöglichkeiten suchen. Sei es im Internet auf eBay oder in ihrer Gemeinde.
Natürlich muß dafür in der Politik etwas getan werden, denn bis jetzt wird jeder durch Gesetze und Verordnungen bestraft, der ein Unternehmen gründen möchte. Und auch die Bereitstellung von Kleinkrediten sollten staatlich organisiert werden. Das ist allemal besser, als unsinnige ABM-Maßnahmen zu machen.
Die Manager sind es nicht, die an den Pranger gehören, sondern die Politiker.
Besten Gruß
Karl Friedrich Weiland
Kapitalismus.de